Kommunale Starkregenvorsorge

Ein gut sichtbarer Indikator des Klimawandels ist Wasser. Dürre und Starkregen treten mittlerweile periodisch abwechselnd auf, entsprechend ist der Umgang mit diesen Extremen ein existentieller Bestandteil und zentraler Baustein bei der Anpassung an den Klimawandel und die Stärkung der Resilienz.

In Deutschland sind Klimaanpassungsmaßnahmen, zum Beispiel die Starkregenvorsorge, auf unterschiedlichen Ebenen geregelt. Durch die verschiedenen Regelungen auf Bundesländerebene gibt es zum Teil große Unterschiede. Die finanzielle Unterstützung von Maßnahmenumsetzungen kann beispielsweise in NRW über die Abwassergebühr mit finanziert werden, während es in anderen Bundesländern hierzu noch keine klar definierte Regelung gibt.

Doch wie sehen Projekte in der kommunalen Starkregenvorsorge überhaupt aus? Was muss beachtet werden?
Je nach Ort, Vorwissen und historischen Ereignissen sollte am Anfang jeden Projekts überlegt werden, aus welchem Grund ein Starkregenmanagementkonzept – oftmals rund um eine Modellierung – angefertigt werden soll. Sollen Risikobereiche identifiziert werden, um eventuelle Notfallpläne zu erstellen? Sollen in ländlichen Bereichen die Erosionsgefahren abgeschätzt werden? Oder sind städtebauliche Maßnahmen wie Kanalsanierungen oder Bebauungen geplant?

Nachdem die Zielsetzung klar formuliert ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die genaue Gefährdung im Falle eines Starkregenereignisses zu bestimmen. Für eine erste, vereinfachte Gefährdungsabschätzung durch Ortsbegehung und die Auswertung historischer Unterlagen benötigt es oft keine externe Fachfirma. Auch eine topografische Gefährdungsanalyse, gestützt durch geographische Informationssysteme (GIS), ist mit entsprechenden GIS-Kenntnissen vergleichsweise einfach gemacht und wertet aufgrund des Geländes Fließwege und Gefährdungsbereiche in topografischen Senken aus. 

Die hydraulische Gefährdungsanalyse integriert detaillierte Bestandsdaten wie Topographie (in diesem Fall ein digitales Gelände-Modell), aber auch Flächennutzung sowie Flächenversiegelung, Bodentypen, Gebäude etc. Diese Daten werden in ein Modell eingefügt und der Abfluss während eines bestimmten Regenereignisses wird in der Folge numerisch berechnet, um Überschwemmungsbereiche aber auch Fließwege und Wassermengen zu bestimmen.

 

    DWA: Starkregen und urbane Sturzfluten – Praxisleitfaden zur Überflutungsvorsorge (08/2013)

 Die angenommene Menge und Dauer des anfallenden Regens folgt dabei den Starkregenleitlinien oder wird regional ermittelt, Aufnahmekapazitäten des Bodens und Infiltrationsprozesse werden dabei ebenso berücksichtigt, wie oberflächliche Abflüsse. Die Kanalisation wird für Starkregenereignisse jedoch meist nicht oder nur vereinfacht einbezogen, da diese bei außergewöhnlichen und extremen Ereignissen als erschöpft oder nicht mehr funktionsfähig angenommen wird, unter anderem, weil Äste oder weiteres transportiertes Material die Zuläufe oft schnell zusetzen.

 

Definition der verschiedenen Szenarien

Klassischerweise bezieht sich die Bezeichnung, bzw. die Definition von Starkregenereignissen, auf Jährlichkeiten – also darauf, in welchem Zeitraum eine solche Menge an Regen statistisch wahrscheinlich wieder fallen würde. Allerdings zeigt sich aktuell, dass diese Angaben nicht mehr ausreichend sind, um ein Katastrophenmanagement zuverlässig aufzubauen. Denn auch wenn ein Starkregenereignis per definitionem als „100-jähriges Ereignis“ eingestuft wird, ist es äußerst wahrscheinlich, dass eine ähnliche Stärke weit vor dem Ablauf von 100 Jahren erneut auftritt. Entsprechend sind neue Ansätze für den Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen zwingend notwendig.

Folglich wurde in Fachkreisen eine Starkregenskala, ähnlich der Erdbebenskala, eingeführt, bei der das Starkregenereignis nicht mehr primär über die Menge des gefallenen Regens definiert wird, sondern über die Art der betroffenen Infrastruktur. So lassen sich Starkregenereignisse einfacher kategorisieren und besser vergleichen, wodurch im Umkehrschluss auch eine bessere Vorsorge möglich ist.

  Schmitt et al.: Niederschlagsbelastung – „Systemüberlastung – Überflutungsfolgen, 2018

 

Hydraulische Gefährdungsanalyse

Für die hydraulische Gefährdungsanalyse gibt es eine Vielzahl an Programmen mit verschiedenen Vor- und Nachteilen. Die Geodesignplattform Tygron bietet beispielsweise nicht nur Starkregenmodellierung, sie kann auch für Analysen zu Hitzestress und Katastrophenmanagement genutzt werden. Ein großer Vorteil hierbei ist die extrem schnelle Rechenleistung, womit auch große Gebiete mit mehr als 60 x 60 km in 1x1 m Auflösung in einem Stück modelliert werden können. Des Weiteren vorteilhaft ist die automatische Verwendung von öffentlichen Daten wie OpenStreetMap, sodass Datenlücken gefüllt werden können.

     

An diesen beiden Beispielen ist gut zu erkennen, wie mit Tygron Starkregenverläufe visualisiert werden können. Das erste Video zeigt ein Krankenhaus, also kritische Infrastruktur und erleichtert mit der Darstellung beispielsweise die Vorbereitung der  Feuerwehr auf etwaige Einsätze und Planung von Rettungswegen. Im zweiten Video lässt sich die Bedeutung von unversiegelten Flächen gut erkennen, durch die die Gebäude im Stadtkern weitestgehend von Überschwemmungen verschont bleiben. Eine Versiegelung dieser Flächen könnten zu einer Verlagerung der Wassermassen in die Wohnbereiche führen – entsprechend wichtig ist diese Simulation für die Stadtentwicklung.

 

Nach der Gefährdungsanalyse

Nach der Sammlung der Daten und der Eingabe in die Systeme sollte im ersten Schritt ein Risikodialog geführt werden, der das tatsächliche Risiko der ermittelten Gefährdung mit der Vulnerabilität übereinanderlegt. Hier geht es zum Beispiel um die vorhandene Infrastruktur im entsprechenden Gebiet: Eine überschwemmte Fußballwiese ist nicht so empfindlich wie ein geflutetes Krankenhaus.

Die Abschätzung des tatsächlichen Potentials kann über Tabellen oder auch auf Karten direkt im Zuge eines Workshops mit farblichen Markierungen durchgeführt werden.Hierbei werden die wassergefluteten Flächen markiert und dann die Orte mit dem höchsten Schadenspotential beurteilt. Daraus ergibt sich das tatsächliche Risiko und eine Priorisierung der Anpassungs- und Schutzmaßnahmen.

     Schmitt (2022): BDB-Studie 2022 „Starkregen und urbane Sturzfluten  Agenda 2030, Überflutungsrisiko (nach Illgen und Assmann 2015))

Die Erfahrung zeigt, dass in diesem Schritt die Dialogbeteiligung möglichst vieler Stakeholder absolut sinnvoll ist. Während Feuerwehr und Polizei zumeist aus vorherigen Regenereignissen wertvolles Wissen mitbringen, welches auch schon im Zuge der Validierung des Modells benötigt wird, können beispielsweise Anwohner oder Naturschutzverbände die Bedeutung von gefährdeten Bereichen häufig gut einschätzen. Hier zeigt sich: Starkregenrisikomanagement ist vor allem ein integratives Projekt, bei dem idealerweise die gesamte Gemeinde zusammen arbeitet.

 

 

Ganzheitlich denken

Ein weiterer, extrem wichtiger Punkt bei der Entwicklung einer Maßnahmenkonzeption ist auch, den Fokus nicht zu eng auf Starkregenereignisse zu legen, sondern ganzheitlich zu denken und Starkregenvorsorge als Teil eines nachhaltigen Wassermanagements zu behandeln.

Denn im Zuge des Klimawandels nehmen nicht nur die Starkregenereignisse sondern auch regenarme Perioden zu, sodass auch die damit einhergehende Dürre in Städten und Kommunen zu großen Herausforderungen führen kann. Die Maxime sollte daher ein ganzheitliches Wassermanagement sein, bei dem nicht nur der schnelle Abtransport sondern das Verlangsamen und Halten von Wasser (Stichwort „Schwammstadt“) berücksichtigt wird. Hierbei ist es immanent wichtig, Plätze zu schaffen, an denen sich das Wasser ausbreiten und an denen es gehalten werden kann, sodass es im Falle von Wasserarmut verfügbar ist.

Weltweit gibt es hierfür bereits gute Beispiele.  So hat die Stadt Melbourne (Australien)  bereits verschiedene Systeme installiert, um ein effizientes Wassermanagement zu betreiben. Ein Beispiel sind die sogenannten „(Stark-)Regen-Ernte-Systeme“, die Regenwasser auf natürliche Weise auffangen, reinigen und für Bewässerung und andere Zwecke nutzen.

Hierbei wird Regenwasser über spezielle Regenwasserkanäle aus der Stadt abgeleitet, in Tanks gespeichert und mithilfe von Sedimentkammern und Bepflanzung filtriert, um es so wieder zu nutzen.


   Stormwater and rainwater harvesting | City of Melbourne Urban Water

Natürlich gibt es auch hier in Deutschland schon einige Beispiele, wie die wassersensible Quartiersentwicklung im Kurt Schumacher Viertel in Berlin, bei dem der gesamte Wasserkreislauf bedacht wird, um Starkregenvorsorge intelligent mit Klimawandelanpassung zu verknüpfen.

 

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Dieser Blogartikel ist eine gekürzte Zusammenfassung aus dem TAUWebinar „Klimawandel, Folgen und Anpassung #2: Kommunale Starkregenvorsorge“. Melden Sie sich hier zu den weiteren Webinaren dieser TAUWebinar-Serie an!

 

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